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Herbert Bartik, Urban Innovation Vienna - Warum kommunale Dienste nicht privatisiert werden sollen

Quelle: eKapija Mittwoch, 17.04.2019. 15:38
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Herbert Bartik (FotoUrban Innovation Vienna)Herbert Bartik

Wenn die Qualität des Lebens in einer Stadt bewertet wird, werden verschiedene Faktoren wie z.B. politische Stabilität, Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Bildungswsen, Sorge für die Umwelt u.a. in Betracht gezogen. Und wenn alle Daten gesammelt und analysiert sind, wird die Stadt mit den besten Bewertungen für die lebenswerteste erklärt. Wien hat diesen Titel unlängst zum zehnten Mal in Folge gewonnen, was die Worte des jüngsten Gesprächspartners von eKapija Nikolaus Gräser bestätigt, dass eine Stadt, die für ihre Bürger gut ist, genauso gut für seine Gäste ist.

Dieses Ziel wurde natürlich nicht über Nacht erreicht. Es hat viel Arbeit, Mühe und vor allem Investitionen gekostet. Nun kann sich die österreichische Hauptstadt weiterentwickeln und sich den Herausforderungen der Alltagsökonomie stellen.

Und was die Alltagsökonomie ist. ein Begriff, den man immer häufiger in Wien hören kann, und uns in Serbien fast unbekannt ist, haben wir Herbert Bartik aus der Agentur Urban Innovation Vienna gefragt.

- Es überrascht mich nicht, dass dieser Begriff in Serbien noch nicht bekannt ist. Sogar hier in Wien ist es ein Begriff, der erst in letzter Zeit verwendet und von unserer Fakultät für Wirtschaftswissenschaften erforscht wird. Man geht davon von der Annahme aus, dass die starke Wirtschaft einer Stadt zwei Grundkomponenten haben muss. Die erste ist Export, und die zweite die lokale Wirtschaft. Und nur dann, wenn die lokale Wirtschaft vorhanden ist, kann sich die Stadt zu einem starken Zentrum entwickelt. Unter diesem Begriff der Alltagsökonomie wird alles verstanden, was für das Leben der Bürger von großer Bedeutung ist. Zum Beispiel: Infrastruktur, öffentlicher Verkehr, Abwassermanagement, Energieversorgung, Versorgung mit Lebensmitteln auf dem Territorium der Stadt, Angebot aus dem Segment Kultur, Bildung, verschiedene soziale Aktivitäten. Dies sind alles Bereiche, die wir mit dem Begriff "die Ökonomie des Alltags" bezeichnen.

eKapija: Trotz der Forderungen der Europäischen Union, die Privatisierung öffentlicher Unternehmen zu erlauben, ist Wien dagegen. Warum sind Sie der Meinung, dass die Privatisierung solcher Unternehmen eine schlechte Lösung wäre?

- Dies ist in erster Linie die politische Haltung der Stadt Wien. Alles, was ich bisher erwähnt habe, was zum Begriff "Ökonomie des Alltags" gehört und sich auf das Leben der Menschen in der Stadt bezieht, muss unter Kontrolle der Stadt bzw. der Öffentlichkeit bleiben. Es gibt einige Gründe dafür. Zunächst einmal haben wir diesen wirtschaftlichen Aspekt, denn die Stadt kann all diese Dienstleistungen den Bürgern effizient anbieten. Die Stadt muss dabei keine Gewinne erzielen, wie dies bei privaten Unternehmen der Fall ist, die nach Investitionen Gewinne erwarten. Es gibt auch diese soziale Komponente, da alle Einwohner der Stadt Zugang zu diesen Diensten haben. Diese Dienste sind ihnen nicht nur verfügbar, sondern weisen auch ein angemessen hohes Qualitätsniveau auf. Am Ende haben wir dieses ökologische Segment. Als Smart City versucht Wien so viel wie möglich, seine Ressourcen zu schützen. Zum Beispiel, wenn es um Investitionen in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Energie und Nachhaltigkeit geht, möchte Wien dies auf eine Weise erreichen, die für die Bürger als grün oder nachhaltig erkennbar ist.

eKapija: Was sind die schlechten Beispiele in europäischen Ländern, die beweisen, dass Wien recht hat, wenn es um die Privatisierung öffentlicher Unternehmen geht?

Zunächst möchte ich hier den Fall London erwähnen. Wir haben nämlich gesehen, dass das U-Bahn-Netz in dieser Stadt sehr stark von der Privatisierung betroffen war, weil es an weiteren Investitionen fehlte. Wir haben auch Beispiele für einige deutsche Städte, in denen die Privatisierung von Wasserversorgungsunternehmen stattfand, wo die negativen Auswirkungen sowohl auf das Angebot als auch auf die Preise gesehen wurden. Die Infrastruktur von Paris war auch von der Privatisierung und den daraus resultierenden negativen Folgen betroffen.

Besonders hervorheben möchte ich den Bereich des Wohnungsbaus. Wir hatten nämlich die Gelegenheit zu sehen, dass es in Städten, in denen es keinen Wohnungsbau seitens des öffentlichen Sektors gibt, große Schwierigkeiten gibt, eine angemessene Wohnung zu finden. Es gab auch einen enormen Anstieg der Immobilienpreise, so dass selbst eine mittelständische Familie sich nicht leisten konnte, eine Wohnung in der Stadt zu mieten, und muss deshalb an den Stadtrand ziehen.

eKapija: Wie stehen Sie zu öffentlich-privaten Partnerschaften in städtischen Diensten?

- Wann immer man mich fragt, ob öffentlich-private Partnerschaften sinnvoll sind, möchte ich betonen, dass dies eine sehr komplexe Frage ist und dass die Antwort immer vom lokalen Kontext abhängt. Manchmal ist es für die Stadt nützlich, wenn die Möglichkeit besteht, durch die Privatisierung das sogenannte "Know-how" zu erwerben und Kapital anzulocken.
Die Stadt Wien muss dieses Know-how nicht von jemand anderem erwerben, aber wir haben auch bestimmte öffentlich-private Partnerschaften in bestimmten Stadtteilen. Diese beziehen sich vor allem auf die Segmente, die für die Entwicklung der Stadt verantwortlich sind. Öffentliche Unternehmen liefern nämlich grundlegende Einblicke in das, was getan werden sollte, aber private Unternehmen haben die Möglichkeit zu investieren, ihre Kreativität einzugeben und etwas in das einzusetzen, was für einen bestimmten Teil der Stadt geplant ist.

eKapija: Ungfähr 150 Mio. EUR gibt die Stadt Belgrad jährlich für den öffentlichen Verkehr aus, ohne Investitionen. Wie ist die Situation in Wien?

- In Bezug auf den öffentlichen Verkehr haben wir in Wien unsere große Firma Wiener Linien, die U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse betreibt. Wir haben auch eine nationale Bahngesellschaft, die bestimmte Strecken bietet. Was die Instandhaltung und den allgemeinen Betrieb der Wiener Linien anbelangt, wird dies vor allem durch den Verkauf von Fahrscheinen für öffentliche Verkehrsmittel beeinflusst. Es ist wichtig anzumerken, dass die Wien ein sehr niedriges Preisniveau hält, weil die Stadt will, dass der Dienst für alle zugänglich ist.

Der zweite Finanzierungsquelle für die Wiener Linien sind Steuergelder. Die Stadt Wien gibt einen Teil der Steuergelder für die Finanzierung dieses Unternehmens aus. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, es handelt sich um einen Betrag von etwa 600 Mio. EUR pro Jahr. Aus diesen Mitteln wird der öffentliche Verkehr in der Stadt gepflegt und auch für Investitionen genutzt. Die Anzahl der Einwohner in Wien ist nämlich in den letzten Jahren deutlich gestiegen, sodass mehr Investitionen in den Verkehr erforderlich sind.

Für einige zusätzliche Projekte, beispielsweise den Bau einer U-Bahn, besteht zwischen der Hauptstadt und dem Bundesstaat eine Vereinbarung, dass diese Projekte durch einheitliche Steueraktiva im Verhältnis 50:50 finanziert werden.

eKapija: Die Ökonomie des Alltags, die Entwicklung Wiens als Smart City, die entwickelte Infrastruktur ... Haben all diese Elemente dazu geführt, dass diese Stadt seit zehn Jahren in Folge zur lebenswertesten Stadt der Welt erklärt wird?

- Auf jeden Fall. Die Qualität der Infrastruktur ist nämlich sicherlich von großer Bedeutung, wenn man die Parameter dieser verschiedenen Studien nimmt, nach denen Wien als eine Stadt mit hoher Lebensqualität betrachtet wird. Aber das ist nicht alles.

Nur eine entwickelte Infrastruktur ermöglicht es Ihnen, wettbewerbsfähig zu sein und eine gute Position als Wirtschaftszentrum zu haben. Diese soziale Komponente ist auch wichtig, was auch für die Sicherheit in der Stadt wichtig ist. Denn alles, was eine entwickelte öffentliche Infrastruktur bietet, trägt zur Zufriedenheit der dort lebenden Menschen bei.

Die Verfügbarkeit von Diensten, Infrastrukturen und Institutionen bildet somit die Grundlage für ein gutes Leben in einer Stadt.

Dragana Obradović

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